Aktuelle Ausstellung

STROMSCHNELLEN …eine Jugend…

Bereits wenige Tage nach der vergangenen Ausstellung findet man die Räume des Stadtmuseums für Kunst und Geschichte Hüfingen stark verändert vor. Nicht, wie man vielleicht erwarten könnte, Bilder oder Skulpturen sind es, die bereits lagernd einen großen Raum der Ausstellungsetage für zeitgenössische Kunst okkupiert haben, sondern Gegenstände bekannter bis – zumindest auf den ersten Blick – merkwürdigster Art, wie Holzrahmen, Konsolen und Tischchen, hellblaue Küchenstühle aus Plastik und Chrom und ein ganzes Arsenal an charakteristischen Holzstühlen, wie man sie früher in jedem Klassenzimmer vorfinden konnte. „Wozu des Ganze?“ könnte man sich fragen. Die Antwort ist so einfach wie treffend: der im Hüfingen aufgewachsene Künstler Peter Gramming und seine Partnerin Monika Burkart waren vor Ort und haben bereits erstes Material für die Ausstellung „Stromschnellen …eine Jugend“, die am 24. Januar, um 19 Uhr eröffnet werden wird, angeliefert. Den Namen Gramming im Hinterkopf mögen sich nun so manche Museumsbesuchende oder Zeitunglesende an die Ausstellung „Die Beschaffenheit der Wünsche“ erinnern, die im Jahr 2021 als ehrgeiziges Großprojekt vom Museumsteam umgesetzt wurde. Peter Gramming nämlich erhielt für seine raumbesetzende Arbeit aus gestapelten, folieumwickelten Pappschachteln – eine Reminiszenz an seine Jugend als Marktleitersohn in Hüfingen – einen der Kunstpreise, den der Förderkreis Stadtmuseum Hüfingen auslobte. Natürlich nimmt auch in seinem aktuellen Ausstellungsbeitrag vorgefundenes Material, nehmen „Dinge“, einen großen Stellenwert ein. So wird auch Folie erneut thematisiert, wenn auch in ganz anderem Kontext: „Stromschnellen, unser Ausstellungstitel, wird von mir umgesetzt mit blauer, reflektierender Kunststofffolie, gewunden wie Flüsse. Eben wie Brigach und Breg, wie die Donau, an der ich heute wohne“, so der inzwischen schon seit vielen Jahren in Ulm lebende Künstler.

Grammings Partnerin Monika Burkart hingegen ist nicht in Hüfingen aufgewachsen, widmet sich in ihrer Arbeit für die gemeinsame Ausstellung aber dennoch einem großen Hüfinger Thema, dem berühmten Blumenteppich. „Am Hochrhein geboren und aufgewachsen“, so erzählt Monika Burkart, „hat mich der alljährliche katholische Fronleichnamsbrauch der geschmückten Altäre an der Straße durch meine Kindheit begleitet. Das Sammeln der Blumen mit anderen Kindern, das Legen des Blumenteppichs vor dem Altar in der Früh am Morgen war immer ein Ereignis und Erlebnis für mich in dieser Zeit. Meine Mutter hatte die jährliche Motivwahl und die Ausgestaltung einer Prozessionsstation übernommen.

Entsprechend war sie interessiert an der Thematik. So fuhren wir in den frühen sechziger Jahren hierher nach Hüfingen, in den Ort, der zumindest im südbadischen Raum für seine langen und schönen Teppiche bekannt war. Ich war sehr beeindruckt von der Farbigkeit, der Motivvielfalt und enormen Länge, so dass ich mich jetzt, Jahrzehnte später, noch daran erinnern kann. Dieser Bezug zur Stadt ist der Auslöser dafür, mich mit dem Thema Blumenteppich auseinanderzusetzen und mich ihm mit textiler Technik zu nähern.“

In ihren Arbeiten zur Ausstellung präsentiert die aus Berlin stammende Künstlerin ushi f. eine tiefgründige bildnerische Betrachtung wesentlicher Stromschnellen ihres Lebens, das so ganz anders verlaufen ist, wie es in Hüfingen der Fall gewesen wäre und zeigt uns Einblicke in die besonderen und unvergesslichen Momente ihrer Jugend, positiv wie negativ, – vom erstmals real empfundenen Glück der Sommerferien in einem Dorf bei Bad Kissingen, der ersten Begegnung des Berliner Stadtkindes mit Wäldern, Bächen und Flüssen, über die tief empfundene Traurigkeit angesichts der Feststellung, dass Zeit Dinge verändert, bis hin zu Angst und Schrecken über die Teilung Berlins, die ushi f. als 13jährige Teenagerin unvermittelt traf. Mit Fragen über die Individualität von Erinnerungen, Subjektivität und Gemeinsamkeit konfrontiert uns die Künstlerin und macht uns bewusst, dass wir ohne unsere Jugend mitnichten die wären, die wir sind.

Walter Gramming setzte sich in Vorbereitung der Ausstellung mit Fotografien auseinander, die in Hüfingen entstanden. „Ende der 60er Jahre“, so Gramming, „entstanden in der scheinbar kurzen Abfolge von kaum zwei Jahren Fotos, die meinen Abschied aus der Kindheit und den Start in die Jugend markieren. Doch erst als ich letztes Jahr begann die Fotografien für diese Ausstellung improvisierend/zeichnerisch umzusetzen wurde mir ihre viel größere Bedeutung bewusst.“ Die Fotos und ihre zeichnerische Umsetzung reflektieren kleine Inszenierungen mit Freunden. Das Gelände der Donaueschinger Straße in Hüfingen, aber auch bekannte und beliebte Orte wie beispielsweise der Schellenberg begegnen uns in der Ausstellung mit frischem Blick auf vergangene Jahre. Mit seiner Panorama-Plattform wurde der Schellenberg für Walter Gramming um den Jahreswechsel 1967/68 zum Symbol für die Aussicht und den Blick in die Zukunft. „Zwischen Optimismus und Skepsis sieht man mich hier in die Ferne blicken.“

Auch zum damaligen Zeitpunkt kam es schon zu Kooperationen der Brüder Gramming: „Was will ich mit meiner Kamera abbilden? Mein Bruder Peter versteht das intuitiv.“ Den Entwürfen der eigenen, vergangenen aber auch niemals vergehenden Jugend mit ihren Potentialen zwischen Skepsis und beflügelndem Optimismus, aber auch der Frage nach den Gestaltungsmöglichkeiten des Miteinanders, des Gemeinsamen, gehen die vier Künstler*innen in ihrer Ausstellung nach. Jede/r auf seine/ihre Weise und doch miteinander verwoben. Essentiell und prägend ist es nämlich nicht nur, wie man die Zeit verbringt, was man tut, was man sieht und erlebt, sondern auch wer die Menschen sind, die einen durchs Leben begleiten. „Die STROMSCHNELLEN,“ stellt Walter Gramming fest, „das sind wir selbst, sind zugleich der Fluss und das Hindernis, wir sind der Fels und die Brandung, sind nur auf Sand gebaut und treiben mit den Wellen.“

Die Ausstellung wird am Freitag, dem 24.01.2025, um 19 Uhr mit einem Künstlergespräch,
moderiert von Kuratorin Ariane Faller, eröffnet. Für die musikalische Umrahmung sorgt Jan
Friese mit Gitarre und Gesang.

Ausstellungsdaten:
STROMSCHNELLEN …eine Jugend…
Walter Gramming/Peter Gramming/Monika Burkart/ushi f.
24.01. – 13.04.2025
Vernissage: Freitag, 24.01.2025, 19 Uhr
Im Rahmen der Vernissage findet ein Künstlergespräch statt.
Musikalische Umrahmung: Jan Friese, Gitarre und Gesang
Finissage: Sonntag, 13.04.2025, 15 Uh